Ein Wagen für das Volk

Der Volkswagen sollte sein wie der Volksempfänger: Ein vollwertiges Automobil, aber kompakt und für die breite Masse erschwinglich, wartungsarm und mit einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis. Entwickelt natürlich nach dem Stand der Technik. Produziert mit amerikanischen Methoden (und Maschinen). Näheres im Folgenden:

  1. Vorsprung durch Technik
  2. Vergleichstest: Die Alpenfahrt 1938
  3. 1000,- Reichsmark

Vorsprung durch Technik

Viel Platz

Dieser Kleinwagen war beim Abschluss seiner Entwicklung von 1934 - 1938 sowohl den zum gleichen Preis erhältlichen Primitiv-Wagen als auch den zwei- bis dreimal so teuren Wettbewerbern in vielen Punkten überlegen:

  • Luftkühlung mit Ölkühler statt Thermosyphon-Wasserkühlung
  • Geringe Kolbengeschwindigkeit - lange Lebensdauer des Motors
  • Vergleichsweise großes Drehmoment
  • Konsequenter Leichbau (650 kg statt über 900 kg)
  • Unterdurchschnittlicher Benzinverbrauch
  • Überdurchschnittliche Beschleunigung
  • Autobahn-Dauergeschwindigkeit 100 km/h
  • 30% Bergsteigfähigkeit
  • Innenraumheizung
  • Geschlossene Karosserie, steif und mittragend
  • Wenige große, industriell hergestellte Karosserieteile
  • Vier vollwertige Sitzplätze bei kompakten Aussenmaßen
  • Gut zugängliche Rücksitze
  • Vollwertiger, innenliegender Kofferraum
  • Einzelradaufhängung rundum statt Starrachsen
  • Drehstabfederung rundum statt Blattfederung
  • Gute Bodenhaftung, hoher Fahrkomfrt
  • Präzise, leichtgängige Lenkung
  • Überdurchschnittlich leistungsfähige Bremsen, hydraulisch statt Seilzug
  • Lange Wartungsintervalle mit wenigen Schmierstellen

Wohlgemerkt: Wir befinden uns im Jahr 1938. Selbst in den 50er Jahren wurde dem Käfer in einschlägigen Fachzeitschriften ein Vorsprung bescheinigt. Rückständig wirkte der Käfer erst 1962: mit Erscheinen des Opel Kadett A. Das nun folgende technische Aufrüsten des Volkswagens überlagerte die ehemals einfache Konstruktion.

Wettbewerbsvergleich: Die Alpenfahrt 1938

Alpentour Im Jahr 1938 wurden die zahlreichen Versuchsreihen mit verschiedenen Prototypen mit der sogenannten Alpenfahrt am Großglockner abgeschlossen. Diese Vergleichsfahrt in der 1-Liter-Hubraumklasse, ein Härtetest aller Teilnehmer, wurde mit zwei VW Typ 303 und einem VW Typ 38 durchgeführt. Es handelte sich bei letzterem um den serienreifen KdF-Wagen (siehe Bild). Die Wettbewerber waren Adler Trumpf Junior, DKW Meisterklasse und Opel Kadett.

Den Abdruck des vollständigen Versuchs-Berichtes finden Sie im Buch "Der Käfer II" von H.-R. Etzold* - sehr lesenswert, sachlich und mit zahlreichen Messwerten gespickt. Kriterien waren u. a.:

  • Reifenabrieb
  • Benzin- und Ölverbrauch
  • Reparaturen an Motor, Fahrgestell und Aufbau
  • Wartung und Pflege (z. B. Anspringen)
  • Betriebskosten

"Die Ergebnisse [...] zeigen, dass der Volkswagen gegenüber den geprüften Vergleichswagen sehr gut abschneidet. Auch die Leistungen des Volkswagens [...] können von den Vergleichswagen nicht erreicht werden."

Der Alpen-Test wurde im Jahr 2009 von MotorKlassik nachempfunden und ohne die seinerzeit erforderliche Political Correctness spannend geschildert. Mit an Bord der damalige Porsche-Ingenieur Herbert Kaes!

1000,- Reichsmark

VW Werk Ein Volkswagen muss - wie ein Volksempfänger - für die breite Masse erschwinglich sein. Der politische Preis für diesen Wagen wurde mit 1000,- RM (später 990,-) festgelegt. Damit lag der VW deutlich unter seinen Wettbewerbern (siehe "Alpenfahrt"), die zwischen 2100,- und 3000,- RM kosteten. Wie aus historischen Dokumenten hervorgeht, wurden harte Verhandlungen mit Zulieferern geführt sowie Technik und Inhalte abgespeckt - wie auch heute noch üblich.

Ein Volkswagen muss also in Massen produziert werden. Das bedeutete die damals unvorstellbare Zahl von 1.000.000 Fahrzeugen im Jahr*. Die deutschen Autohersteller kamen mit ihren gesamten Modellpaletten insgesamt nur auf ca. 250.000 Fahrzeuge/Jahr**.

Die ursprüngliche Idee der dezentralen Produktion bei den etablierten Herstellern wurde fallen gelassen, da diese sich unkooperativ zeigten, vermutlich aus Angst um den Absatz ihrer eigenen Fahrzeuge. Diese Haltung, zusammen mit dem fehlenden Know-how, führte dazu, eine völlig neue Fabrik auf der grünen Wiese in der Mitte des Deutschen Reichs zu planen. Die für die Produktion des Volkswagens notwendigen Maschinen wurden in den USA beschafft, da nur dort eine vergleichbare Massenproduktion betrieben wurde. - Für die Arbeiter und Angestellten des neuen Werks wurde gleichzeitig eine Stadt geplant: Wolfsburg war geboren.

Der Preis von 1000,- RM war also nicht nur ein Kind der Politik, sondern auch der neuartigen industriellen Massenproduktion.

Quellen

  • * Hans-Rüdiger Etzold, Der Käfer II, Motorbuch Stuttgart 1986
  • ** Werner Oswald, Deutsche Autos Band 2 1920 - 1945, Motorbuch Stuttgart 1977